Jahresgabe

Clouds over WB190621 No. 1-21

Kolling, Paul

Paul Kolling beschäftigt sich mit infrastrukturellen und ökonomischen Prozessen und deren geopolitischen, ökologischen und sozialen Implikationen. Im Kunstverein Harburger Bahnhof zeigte er 2020 das Projekt "Break of Gauge", das sich der Komplexität der eurasischen Güterverkehrsnetze zwischen Zhengzhou und Hamburg widmet. Kollings Jahresgabe für den Kunstverein ist hieraus hervorgegangen und zeigt in einer Serie von Tintenstrahldrucken Streckenabschnitte der Güterzugverbindung. Seine Vermessung der sogenannten Neuen Seidenstraße von der, abgesehen von den wichtigsten logistischen Knotenpunkten, Transportzeiten und Grenzübergängen, kaum geographische Informationen bekannt sind, erfolgte mit Hilfe von Satellitenbildern und Fernerkundungstechnologien. Kolling ließ u.a. ein GPS Gerät mit einem Zug von China nach Hamburg reisen. Der Titel der Serie "WB190621" bezieht sich auf die Zugnummer des mit GPS ausgestatten Güterzugs. Die Einzelbilder wurden aus einem dreihundert Meter langen Film extrahiert, der die gesamte Zugstrecke und die von ihr durchquerten Landschaften abbildet. Kolling wählte für die Jahresgabe ausschließlich Bilder, auf denen die Zugstrecke teilweise von Wolken verhangen ist. Die Luftfotografie versucht in der Regel wolkenfreie Aufnahmen zu generieren, um die Landschaft unverdeckt abbilden zu können. In Kollings Serie hingegen werden Wolkenformationen zum zentralen Motiv. Kollings "WB190621" verweist auf vielfältige Fragestellungen, die mit dem Kartografieren von Welt verbunden sind: Die Aufnahmen der Güterzugverbindung wurden für „Break of Gauge“ zu einem durchgängigen und geradlinigen Verlauf zusammenfügt. Durch ihre Verzerrung lassen sie keine Rückschlüsse auf die räumliche und geodatenbasierte Orientierung zu. Was zu sehen ist, bleibt seltsam abstrakt. Die Wolken durchbrechen die Künstlichkeit dieser Struktur. Durch sie schreiben sich die klimatischen Bedingungen der Aufnahmesituation und das Moment des Zufalls in die Bilder ein.

 

Paul Kolling (*1993, lebt und arbeitet in Berlin) schloss mit „Break of Gauge“ sein Studium bei Simon Denny an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg ab. Zusammen mit Paul Seidler und Max Hampshire initiierte Kolling außerdem u.a. das Projekt „terra0“, welches mittels Ethereum Blockchain Technologie die Selbstverwaltung eines Waldes organisiert. Kollings Arbeiten und Projekte wurden u.a. bei der transmediale, Ars Electronica, Biennale de Lyon, Furtherfield Gallery, Drugo More, re:publica, Schinkel Pavillon und der Wiener Biennale präsentiert.