Arjan Stockhausen - Der lange Tiger [...]
Stockhausen, Arjan
Vollständiger Titel: Der lange Tiger ging durch den Regen und nahm sich bei jedem Schritt vor keine Haare mehr zu spalten sondern mal zu beweisen dass er sehr wohl seltsam sein konnte. Er hatte gelesen man solle milden Käse in die Ritzen eines Sessels schieben, und schon würden Andere sich wundern müssen. Er schritt unter dem purpurnen Himmel, aus dem knopfgroße kristallblaue Tränen fielen entlang, seine Tatzen gruben sich das Weiche Graß und verschmolzen lautlos mit der ebenbeinernen Stille der Welt. Vielleicht war er auch schon seltsam genug, er war schließlich zwei Kilometer lang und fünfhundert Meter hoch. Als die Sonne aus den Wolken wie die Knospe eines Krokus’ hervorbrach, trocknete das sanfte Licht seine Tränen die sich mit denen des Himmels vermischt hatten und er nahm sich selbst in die Arme. Dann verschwand er wie ein gewaltiger Hauch in den Dampf der Wiesen.
Der lange Titel von Arjan Stockhausens (*1992 in Alfter, lebt in Köln) Jahresgabe weist auf sein ausgeprägtes Interesse für Wort und Sprache hin. Mit dem langen Tiger erzählt uns seine Arbeit eine poetische kurze Geschichte, die eine untrennbare Interaktion zwischen Bild und Text herstellt. Beides sind Formen der Abstraktion und individuelle Blickwinkel. Zwischen Arnulf Rainers Übermalungen und aus dem Dickicht hervorspringenden Tiger Henri Rousseaus, erzeugt Stockhausen eine spannende Synthese zwischen Figuration und Abstraktion.