Schuldige Landschaft / SL #2, SL#7
Gütschow, Beate
Beate Gütschow (*1970 in Mainz, lebt und arbeitet in Berlin) fotografiert mit einer analogen Mittelformatkamera Landschaften. Sie digitalisiert die Fotos und konstruiert in Photoshop aus diesem Material neue Landschaften, deren Raumkonstruktion und Kompositionsgefüge die Künstlerin aus der Landschaftsmalerei übernommen hat.
Gütschows Arbeit Schuldige Landschaft, die anlässlich von The History Show entstanden ist, bezieht sich auf den niederländischen Maler Armando, der 1989 an der Ausstellung Landschaftsbilder des Kunstvereins teilnahm: „Schuldige Landschaft nannte er eine Landschaft, die Geschehen sah, denn in Landschaften, in der herrlichen Natur, finden oft die grausigsten Aufführungen statt.“ (Armando) In seinen Arbeiten übersetzt Armando Landschaften in abstrakte Zeichnungen und ungegenständliche Malerei, was er im Rekurs auf die als „entartet“ verfemten Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts als politisches Statement verstand. Gütschow ihrerseits nutzt die Landschaft, wie sie vor ihre Kamera tritt: Acht Fotografien zeigen jeweils einen Baum, der zum Vermittler von Historie wird. Die Landschaft wird in der Fotografie durch Lichtsetzung abstrahiert, die Baumstämme heben sich schemenhaft von einem undurchdringlichen Hintergrund ab. Während so der Informationsgehalt schwindet, bieten die nächtliche Szenerie und der schwarze Fond dem Betrachter erste visuelle Anhaltspunkte und der Titel verweist auf eine undefinierte Schuld. Die Bäume bilden eine Allee entlang des Weges zu Gütschows Berliner Atelier, das hinter dem Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit in einem früheren Wärterhaus liegt. Traurige Prominenz erlangte der Bau, als er ab 1940 als Wehrmachtsuntersuchungs- und Polizeigefängnis diente und schließlich von der Gestapo genutzt wurde, um die männlichen Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 zu inhaftieren. Die von Gütschow gezeigten Bäume sind Bestandteil der Gefängnisanlage; sie gestalten nicht bloß eine Landschaft, sondern sind zugleich Zeugen dessen, was um sie herum geschah.