Jahresgabe

Tout Court

Jutta Koether

Eine in das Papier gepresste Explosion. Wäre Jutta Koethers malerisches Werk ein Verbrennungsmotor, würde er durch verschiedene affektive Importe befeuert. Dazu gehören Bilder aus der Kunstgeschichte und ihren Nebenwegen, Zeitungsausschnitte, Noise-Musik sowie geschriebene, gesungene und gesprochene Worte. Zugleich hätte er eine Bandbreite an medialen Anbauten, mit der Zeichnung als prägnantester Ergänzung. Sie wäre der Katalysator, der die Hin- und Rückreaktion zwischen den Brennstoffen und der Malerei anfacht. Die Radierung ist eine spezielle Form der Zeichnung. Sie ist physisch, da mit Stahlnadel in die Druckplatte geritzt, und malerisch, durch die monochrome Druckfarbe und die hier dezidiert gesetzten Farbnebel in den Flächen. Zudem ist sie wiederholbar, bis zur Abnutzung der Platte im Druckprozess. Die Widersprüchlichkeiten dieses Mediums, zwischen Statik und Körperlichkeit, Linie und Farbe, Individualität und Kopie, bilden das Motiv von Koethers Jahresgabe. Das zentrale Quadrat steht unter Druck. Es ist das Zentrum, das alle weiteren Markierungen in den Bildraum schießt. Gleichzeitig windet es sich, um seine Integrität gegenüber den losen Schraffuren, offenen Kringeln und der es beinahe umschließen- den, schematischen Blumenform zu behaupten. Der Druck, mit dem das in den Vertiefungen der Druckplatte sitzende Violett in das Papier gepresst wurde, bannt die geometrische Ruhe im Sturm. In Koethers Motor liegt die Ruhe nicht vor oder nach der Explosion, sie ist die Stille im Herzen der Explosion. Tout court: „Figure of Paint, als existentielles Mittel, im Verhalten zum Wachsen und Vergehen von ALLEM.“ [Jutta Koether, „Figure of Paint: Am Unwiderlegbaren!“, in: Texte zur Kunst, Nr. 100, Dezember 2015, S. 135–139, hier S. 139.]
– Tonio Kröner

In Zusammenarbeit mit der Kunstdruckerei Martin Kätelhön