Jahresgabe

In an underpass with rain falling

Dolidze, Andria

Banner wollen gesehen werden. Ob an Zäunen befestigt oder mit Bändern geschmückt, das Banner ist ein deklaratives Medium. Sein Vokabular ist simpel: Wer, was, wann, wo, grafisch veredelt. Tage, Wochen, Monate ziehen ins Land, die Jahreszeiten ändern sich, und ebenso die Sprüche auf Bannern, seien sie improvisiert oder Teil einer stadtweiten Werbekampagne. Öffentliche Anerkennung und Wiedererkennbarkeit können sie zu Relikten der Erinnerung werden lassen.

Auf seinen Wegen durch Düsseldorf sammelt Andria Dolidze Sticker, Poster und Ornamente, er fotografiert architektonische Details, Zäune und ähnliches. Auch Banner nimmt er mit, zusammen mit liegengebliebenem Schmuck oder Ketten aus einem Club, der sich mit dem Kunstverein das Gebäude teilt. Gerade erst gekauft, schon wieder verloren – diese Artefakte der Nacht können, einmal zutage gefördert, zu Kunst werden. Aus solchen Fragmenten der Stadt – Bruchstücken eines Lebens, das nicht lange genug innehalten kann, um begriffen zu werden – schafft der Künstler Kompositionen, die Konstellationen ähneln. Flâneur, Dolidzes von Walter Benjamins Passagen-Werk (1927–1940) inspirierte neue Werkreihe, besteht aus Bannern, die sich jedoch der für dieses Medium sonst so elementaren Lesbarkeit widersetzen. Wie kann man sich das vorstellen? Drucke eines schmiedeeisernen Zauns auf Papier und Leinwand werden mit sichtbarem Faltenwurf über Acryl- und Ölgemälde vernebelter Szenen gelegt. Ösen durchstoßen die Oberfläche, zunächst an erwartbaren Stellen (den Ecken), dann an ungewöhnlichen (das Bild unterbrechend). Ein roter Stern aus Vinyl funkelt, bietet aber keine Orientierung. Im Betrachten dieser Arbeiten drückt sich Benjamins Diktum aus, dass der Blick des Entfremdeten dem Blick des Flaneurs entspreche, der sich sein Asyl in der Menge suche. In der Menge an Zeichen, Texturen und Gewichten in Dolidzes Flâneur ist das Ende nur eine in Öl gemalte Abbildung eines Abspanns: „THE END“.

– Paige K. Bradley