Jahresgabe

In The Service of Reality (a message for the public)

Tobias Hohn & Stanton Taylor

Mit ihren scharfkantigen Oberflächen und glänzenden Schrauben teilt sich diese Fotoarbeit des Künstlerduos Tobias Hohn & Stanton Taylor eine Materialsprache mit Arztpraxen, Immobilienentwicklern und Textil-Kaufhäusern. Wie in vielen ihrer neuen Werke beginnen die Künstler auch hier mit Szenen aus nominal öffentlichen Räumen, die dennoch restlos von privaten und kommerziellen Interessen strukturiert werden. Während des Corona-Lockdowns begannen die Künstler etwa mit der Erkundung der nun plötzlich geschlossenen und verbarrikadierten Auslagen und Schaufenster in den Düsseldorfer und Berliner Innenstädten. Gerade im erzwungenen Stillstand, in dem die Shoppingmeile endgültig von virtuellen Erfahrungen ersetzt schien, zeigten sich ihre Regeln mit ungewohnter Eindeutigkeit. In The Service of Reality (a message for the public), 2022, reagiert beispielsweise auf die Vinylverkleidung eines Neubaus, auf dem digitale Figuren mit gespenstisch leerem Gesichtsausdruck ein ebensolches Bauprojekt bewundern – ganz so als gelte es, jedem:r menschlichen Betrachter:in das gewünschte Verhalten zum Nachmachen zu demonstrieren.

Doch wo die Werbeflächen der Innenstadt jede Verstrickung ihrer Produkte in Politik und Umwelt mit betont simplen Botschaften überdecken müssen, da suchen Hohn und Taylor im Gegenteil gerade nach fotografischen Ausdrucksformen für die internen Widersprüche einer bis ans Limit ausgebreiteten Konsumkultur. Glänzende und durchsichtige Materialien sind hier nicht Zeichen für Sauberkeit und Transparenz, sondern lassen die Körper verschiedener Figuren sowohl miteinander als auch mit Wänden und Fußböden verschmelzen. Ob das Bildgeschehen im Innen- oder Außenraum stattfindet, ist kaum eindeutig zu entscheiden. Überhaupt ist es nicht leicht, hier ein Geschehen mit einer angedeuteten Handlung oder irgendwie motivierten Akteur:innen zu erkennen. Wo die Surrealist:innen einst die Grenzen des Individualismus mit analogen Doppelbelichtungen zu durchbrechen suchten, da unterstreichen Taylor und Hohn mit ihrer Mischung aus digitalen und physischen Werkzeugen, dass die Konsumkultur seit Langem ganz anders, aber mindestens so erfolgreich, an der Auflösung individueller Eigenheiten arbeitet. (Gregor Quack)