Panorama IV
Mashio, Kaoli
Kaoli Mashios Arbeiten Panorama I-IV bestehen aus verschiedenen Materialschichten und den mit ihnen verbundenen Gesten: Auf der Papierfläche geronnene Pigmente, metallische Linolfarbe, die zarte Präzision des Graphitstiftes, Collagen aus Formen, von denen ausgehend sich sorgfältig gezogene Schnittlinien verfolgen lassen. Diese Gesten schärfen unsere Wahrnehmung, lassen sie behutsam durch die Landschaft streifen. Die Formen und Linien entstehen aus Strichen, die sie mit anderen Formen korrelieren lassen, und sie in einer Art organischer Komplizenschaft in der Bildebene verankern. Sie verbinden sich mit den Materialien, die ihrerseits miteinander verschmelzen, um schließlich auf festem Boden Halt zu finden, womit sie der in ihnen enthaltenen Entropie eine gewisse Festigkeit verleihen. Manchmal jedoch berühren sich die Formen beinahe oder schweben übereinander, immer Gefahr laufend, zu kollidieren.
In Panorama IV ist das als letzte Schicht aufgetragene Papier ein akkurater Einschnitt in die fein austarierte Ordnung des Systems, ein weiterer Schritt in einem andauernden Zustand der Verschmelzung. Unterschiedliche verdichtete Bildebenen werden durch ihre innere Aktivität aufgeladen, die ihnen innewohnenden Vorgänge vervielfacht, Panoramen und sich wiederholende Sehakte akkumuliert. Vielleicht scheinen sie gerade deswegen eine Stasis zu schaffen, die dem weißen Rauschen alter Fernsehgeräte ähnelt. Ihre Dichte kontrastiert mit ihrer Leichtigkeit, es entstehen Zweifel an der Ausrichtung des Blicks: Introspektion oder äußere Wirklichkeit? Wenn es sich um ein Panorama handelt, was für eine Landschaft stellt es dar? Eine mikro- oder makroskopische? Oder etwas zwischen diesen beiden Polen, ein Schwebezustand aus ziellosen Bewegungen? Im Raum zwischen Atom und Kosmos, zwischen der Austauschbarkeit industriell gefertigter Materialien und singulärer Individualität konfigurieren sie Erfahrung neu, um sie besser festhalten zu können. Der ständigen Überschneidung von Linien, der Überlagerung von Formen und den Schnittbewegungen, die Raum für Lücken oder Leerstellen lassen, pflanzen sie, gleich einer plötzlichen Wahrnehmungsstörung, Akte des Sehens ein.
– Paolo Baggi