TRAUBENHALTER BACCHUS
Thomas Spallek
Wehmütig von der Erinnerung an seine Kämpfe um die Anerkennung der griechischen Götter im Olymp und noch immer verkatert von den hemmungslosen Orgien und Trinkgelagen auf seinen Reisen um die Welt, beschließt Bacchus gegenwärtig kürzerzutreten und sich seiner ersehnten Wiedergeburt als kleingeistiger Traubenhalter zuzuwenden. Denn, anders als sein zweifelhafter Ruf als Gott des Rausches, der von Selbstbeherrschung nichts wissen will, ist Bacchus heute deutlich maßvoller geworden und besinnt sich auf die Freuden frischer Weintrauben auf seinem Haupt. Doch die wankelmütige Ader und das schelmische Gemüt sind ihm trotz guter Vorsätze weiterhin eingeschrieben und tarnen sich hinter dem Ausdruck eines harmlos wirkenden Chorknaben. Immer wieder in alte Muster zurückfallend formt er den Mund zu einem inkonsequenten kleinen “o” und versucht jahrtausendealte Lieder anzustimmen, die er einst bei seinen ausschweifenden Festen in einem Wirbel aus Tänzen und zu den Klängen von Flöten und Tamburinen sang.(Viktoria Tarak)