Jahresgabe

REQUIEM (OUIJA)

Ari Benjamin Meyers

Das Ouija ist ein Mittel für die Kommunikation mit dem Jenseits. Auf der Oberfläche sind alle Buchstaben des Alphabets und die Ziffern 0 bis 9 angeordnet, außerdem die Worte “Ja”„“Nein” und “Auf Wiedersehen” . Die Nutzer*innen stellen Fragen, legen ihre Finger auf einen knopfartigen Zeiger und lassen diesen scheinbar eigenständig über die Zeichen gleiten, bis sich daraus eine Botschaft ergibt. Ursprünglich als Gesellschaftsspiel konzipiert, fand das 1891 veröffentlichte Ouija Board bald auch unter Spiritist*innen Verbreitung, vor allem in den USA und Großbritannien. Im Ersten Weltkrieg entwickelte es sich zu einem populären Werkzeug, um mit den Verstorbenen in Verbindung zu treten. Wenn Ari Benjamin Meyers für seine Totenmesse die Form des Ouija Boards aufgreift und auf die Welt der Musik überträgt, dann mischen sich auch hier Spiel und Ernst. In seiner Version sind die Ziffern und Buchstaben durch die Zeichen der modernen westlichen Notenschrift ersetzt, statt “Ja” und “Nein” stehen die Tongeschlechter Dur und Moll zur Auswahl. Allerdings, so scheint es, geht es ihm nicht allein darum, die Geister verstorbener Komponist*innen zur Hilfe zu rufen. Vielmehr stellt Meyers die Frage, was es überhaupt heißt, zu komponieren. Ist Eingebung am Werk oder doch eher Zufall? Nicht von ungefähr lässt Requiem (Ouija) sowohl an den Geniekult des 19. Jahrhunderts als auch an die Zufallsoperationen der konzeptuellen Musik denken – wie auch an die Brettspiele der Fluxus-Künstler*innen, bei denen es ja ebenfalls um das Verhältnis von Zufall und ästhetischer Praxis ging. (Jörn Schafaff)