Untitled
Karweick, Amelie
Die weiße Lichtquelle eines Scanners bewegt sich kontinuierlich unter einer Glasplatte entlang und beleuchtet die Oberfläche eines Objekts Zeile für Zeile. Das reflektierte Licht wird von einem Sensor registriert und in digitale Informationen übersetzt – jede Veränderung der Helligkeit und jede Unebenheit des Objekts werden erfasst. Der Scanner ist ein Instrument der Präzision, aber auch der Entfremdung: Er kennt keine Perspektive, keine Tiefe, sondern nur die Summe der Lichtwerte einer Oberfläche.
In den Zeichnungen von Amelie Karweick scheint dieser technische Vorgang eine bildnerische Entsprechung zu finden. Ihre monochromen Arbeiten erinnern an gescannte Reliefs, Schichten eines Graphit-Ton-Gemischs auf Papier. Sie verzichtet auf eindeutige Figuration oder referenzielle Codes. Formen sind nicht durch begrenzende Linien definiert, sondern allein durch die präzise modulierten, fast fotografischen Schattierungen. Gleichzeitig bleibt der Prozess des Zeichnens sichtbar: Verdichtungen und Auflösungen, das Wechselspiel von Druck und Lockerung des Griffs. Karweicks Zeichnungen haben etwas von topografischen Aufnahmen: Fragmentierte Landschaften, tektonische Verschiebungen und Überreste einer materiellen Welt, deren räumlicher Bezug nur noch ahnbar bleibt. In dieser Spannung zwischen analytischer Genauigkeit und tastender Wahrnehmung entsteht eine eigentümliche Materialität – ein Bildraum, der sich nicht aus der Tiefe, sondern aus der Oberfläche selbst formt.
In dieser Reduktion liegt eine präzise Reflexion über Bildproduktion selbst: Wie konstituiert sich Form im Akt des sukzessiven Sehens und Zeichnens? Wo beginnt das Bild, wenn es keine Perspektive, keine narrative Setzung mehr gibt? Karweicks Arbeiten operieren mit ähnlichen Parametern wie der Scanner. Wo der Scanner jedoch technisch nüchtern Daten erzeugt, hinterlässt Karweick eine materialisierte menschliche Spur.
– Arthur Schouler